Er passt einfach nicht zu mir

Aus dem Abbruch der Ausbildung einen Wechsel machen

Plötzlich bleibt der Nebenplatz in der Berufsschule frei – das ist in Deutschland allgemein und auch in Südwestsachsen im Speziellen keine Seltenheit: Etwa ein Viertel aller Azubis löst den Ausbildungsvertrag auf. Die Ursachen dafür sind so vielfältig, wie die Angebote, die Ausbildung zu retten.


Im Mittelalter war alles einfacher. Man wurde in eine Zunft, in ein Handwerk hineingeboren. Der Sohn des Schmiedes wurde Schmied, die Tochter der Wäscherin folgte der Mutter. Der eigene Platz war bekannt und vorgeschrieben, da blieb kaum Raum für Diskussionen. Heute lässt sich der Beruf eher mit einer Beziehung vergleichen – im Idealfall gehen Azubi und Beruf einen Bund fürs Leben ein, manchmal wird es eine Langzeitbeziehung und in einigen Fällen bleibt es nur bei einer Affäre…

Nicht selten erfolgt die Trennung noch in der Ausbildung, wie Zahlen der Agentur für Arbeit zeigen. Allein in Sachsen wird jeder vierte Ausbildungsvertrag wieder aufgelöst. Viele junge Menschen entscheiden sich um oder brechen ihre Ausbildung ab, ohne schon eine echte Alternative zu haben. Die Gründe dafür sind vielfältig: Nach Angaben der Chemnitzer Handwerkskammer wurden im Jahr 2020 in ihrem Einzugsgebiet 594 Ausbildungsverträge im Handwerk aufgelöst. 168 von ihnen wurden in gegenseitigem Einvernehmen aufgehoben, 115 mal beendete der Ausbildungsbetrieb, 104 mal der oder die Auszubildende das Ausbildungsverhältnis. Knapp ein Viertel dieser Ausbildungsverhältnisse wurden direkt nach der Probezeit beendet, 46 Menschen mit Ausbildungsvertrag traten ihre Lehre gar nicht erst an, bei 16 Auszubildenden ruht die Ausbildung, ein Azubi verstarb. Die Statistik der vergangenen drei Jahre zeigt, dass 2020 kein Ausnahmejahr war, sondern die Zahlen von Jahr zu Jahr ungefähr konstant sind.

Immer wieder äußern sich Betriebe und Ausbilder*innen besorgt ob der vermeintlichen Wankelmütigkeit ihrer Auszubildenden. Laut der Agentur für Arbeit ist die Zahl von Ausbildungsabbrüchen in Sachsen zumindest leicht rückläufig. „Die duale Berufsausbildung hat sich auch in der Krise bewährt. So ist es entgegen mancher Befürchtung im Jahr 2020 nicht zu einem Anstieg vorzeitig gelöster Ausbildungsverträge gekommen. In Sachsen gab es 5.147 Vertragslösungen im Jahr 2020. Das sind rund 800 weniger als das Jahr zuvor“, heißt es auf Anfrage der „mach was!“-Redaktion aus der Arbeitsagentur. Die Agentursprecherin betont zudem, dass eine Vertragsauflösung nicht automatisch einen Abbruch der dualen Berufsausbildung bedeuten muss: „Eine Vielzahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen schließt nach einer Vertragslösung erneut einen Ausbildungsvertrag im dualen System ab“, heißt es aus der Arbeitsagentur.

Doch was tun, wenn die Unzufriedenheit im eigenen Ausbildungsverhältnis wächst und deshalb ein Abbruch oder Wechsel des Betriebes im Raum steht? Muss der Wunsch der zuständigen Kammer gemeldet werden? „Nein, das ist nicht vorgegeben. Es wäre für uns zwecks Beratung und Ursachenfindung aber wünschenswert“, sagt Robert Gruner von der Handwerkskammer Chemnitz. Er erklärt, dass die Handwerkskammer für wechselwillige Azubis extra Beratungen zum weiteren Verlauf der Ausbildung und zu Wechselmodalitäten anbietet. Die Berater*innen unterstützen auch potenzielle Ausbildungsbetriebe, helfen bei der Suche nach einer passgenaueren Ausbildung und bieten zahlreiche Portale zur Lehrstellensuche an.

Auch eine Meldung bei der Arbeitsagentur ist nicht zwingend nötig – vor allem nicht, wenn der Wechsel in einen neuen Ausbildungsbetrieb nahtlos vonstattengeht. Hilfe können sich Auszubildende vom Arbeitsamt jedoch auch schon vor dem Abbruch holen. „Die Berufsberatung der Arbeitsagentur bietet eine spezielle Beratung bei Problemen während der Ausbildung an. Das Ergebnis der Beratung ist offen. Häufig gibt es noch andere Unterstützungsmöglichkeiten, bevor es zu einer Vertragslösung kommen muss. Die Bundesagentur für Arbeit hat beispielsweise die Möglichkeit, Stütz- und Förderunterricht sowie sozialpädagogische Betreuung während der Ausbildung zu finanzieren“, heißt es vom Amt. Alles in allem raten die Fachleute dazu, nicht zu schnell, sondern stattdessen wohlüberlegt zu handeln. Wer weiß, vielleicht hilft ja eine Paarberatung, um der Beziehung noch eine Chance zu geben.



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Text : sah
Foto: Adobe Stock@sathaporn

 

 

 

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