5 Fragen an eine Apothekerin

Kerstin Bäuml-Just beantwortet Fragen zum Alltag als Apothekerin

Jeder war schon Mal in einer Apotheke, um ein rezeptpflichtiges Medikament abzuholen, sich eine bestimmte Salbe empfehlen zu lassen oder Ähnliches. Die Kundenberatung ist zwar ein wichtiger Teil der Arbeit von Apotheker*innen, doch tatsächlich gehört noch einiges mehr dazu. Kerstin Bäuml-Just betreibt die Mozart-Apotheke in Penig. Gemeinsam mit ihrer Tochter Maria Just, eine Studentin der Pharmazie im 4. Studienjahr an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hat sie freundlicherweise die Fragen der ‚mach was!‘-Redaktion beantwortet, um euch einen Einblick in den Apotheken-Alltag zu geben. Heute steht das Berufsbild der Apothekerin / des Apothekers im Fokus und im nächsten Beitrag wird es um die Tätigkeit pharmazeutisch-technischer Assistent*innen gehen.

 

1. Welche falschen Vorstellungen haben Andere von Ihrem Beruf?

„Der Beruf der Apothekerin / des Apothekers ist zu allererst ein Heilberuf. Uns geht es immer zunächst um die gute pharmazeutische Versorgung und Betreuung unserer Patient*innen. Dabei arbeiten wir eng mit den Ärzt*innen zusammen, genauso gehen wir aber auch auf die Wünsche und Sorgen unserer Patient*innen ein.

Wir sind keine „Schubladenzieher“, zur Abgabe von Medikamenten gehört viel mehr, als der reine Verkauf. Es muss auf Arzneimittelinteraktionen, Kontraindikationen und Unverträglichkeiten geachtet werden. Außerdem werden auch heute noch viele Medikamente in der Apotheke selber hergestellt.“

 

2. Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aus?

„Früh morgens wird die Medikamentenlieferung von der Nacht verbucht und weggeräumt. Während des gesamten Arbeitstages geben wir Medikamente und apothekenübliche Waren (d.h. Nahrungsergänzungsmittel, Tees, Desinfektionsmittel, Kompressionsstrümpfe etc.) an unsere Patient*innen ab. Der wichtigste Punkt dabei ist die pharmazeutische Betreuung und Beratung der Patient*innen bei jeder Abgabe. Außerdem kontrollieren Apotheker*innen jedes einzelne Rezept nach der Abgabe erneut, so wird praktisch ausgeschlossen, dass es zur Verwechslung bei der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln kommen kann.

Abhängig vom Standort und der Ärzteumgebung der Apotheke werden täglich Rezepturen hergestellt (gerade bei Kinder- sowie Hautärzt*innen kommt dies verhältnismäßig oft vor), d.h. es wird spezifisch für eine Patientin / einen Patienten ein Medikament (beispielsweise Salben, Kapseln, Tropfen oder Zäpfchen) hergestellt. Die Herstellung erfolgt normalerweise durch eine / einen PTA, die Qualitätskontrolle erfolgt durch eine Apothekerin / einen Apotheker. Oftmals werden auch Defekturen hergestellt, d.h. es werden im Voraus in kleinen Chargen Medikamente oder Produkte hergestellt, die häufiger benötigt werden (z.B. Desinfektionsmittel).

Apotheker*innen kontrollieren und überprüfen in der Apotheke auch alle ablaufenden Prozesse. Dazu wird ein Qualitätsmanagementsystem erstellt, welches den Ablauf, die Überprüfung und Nachvollziehbarkeit aller Prozesse beschreibt. Auch im Labor und der Rezeptur greifen die Kontrollmechanismen des Qualitätsmanagementsystems. Die leitenden Apothekerin / der leitende Apotheker übernimmt meist auch den betriebswirtschaftlichen Teil des Tages, d.h. Tagesabschluss der Kassensysteme, Datensicherung, Verhandlung mit Herstellern für den Direktbezug von Medikamenten etc.“

 

3. Was gefällt Ihnen am besten und am wenigsten gut an Ihrem Beruf?

„Am besten: Die enge Zusammenarbeit mit Menschen in der Offizin. Es gibt so viele verschiedene Wirkstoffe und Wirkprinzipien im Arzneimittelschatz, wenn ich damit meinen Patient*innen helfen kann, dann bin ich glücklich.

Good to know: Die Offizin ist der Verkaufsraum der Apotheke.

Am wenigsten: Die zunehmenden bürokratischen Prozesse. Es ist durchaus wichtig, alle Prozesse zu dokumentieren und zu kontrollieren, inzwischen ist es aber so, dass die schiere Menge an zu bearbeitenden Formularen die eigentliche Zeit in der pharmazeutischen Beratung für die Patient*innen wegnimmt. Aufgrund gewisser vorgeschriebener Regelungen sind wir beispielsweise gezwungen, bestimmte Medikamente von bestimmten Herstellern abzugeben (= Rabattverträge der Krankenkassen). Dies erschwert häufig die Beratung der Patientin / des Patienten und kann bei Lai*innen zu Verwirrung führen.“

 

4. Wie wird man Apotheker*in? Welche Voraussetzungen muss man mitbringen?

„Das Studium der Pharmazie dauert vier Jahre an einer Universität in Deutschland. Davon sind die ersten zwei Jahre ein rein naturwissenschaftliches Studium, darauf folgt das erste Staatsexamen. Im dritten und vierten Jahr wendet man sich dann den pharmazeutischen Themen zu, worauf dann das zweite Staatsexamen folgt. Anschließend folgt ein Praktisches Jahr, wovon mindestens 6 Monate in einer deutschen öffentlichen Apotheke verbracht werden müssen. Nach dem dritten Staatsexamen erhält man dann seine Approbation und ist Apotheker*in.

Voraussetzung für das Studium ist natürlich eine Hochschulzugangsberechtigung. Außerdem sollte man naturwissenschaftliches Interesse mitbringen. Chemie und Mathematik in der Oberstufe sind natürlich von Vorteil, aber auch kein Muss. Das Studium ist schwer, das ist sicher. Dennoch ist es mit Durchhaltevermögen und Interesse definitiv sehr gut schaffbar. Ich würde davon abraten Pharmazie zu studieren, nur aus dem Grund, weil man in der Medizin keinen Studienplatz bekommen hat. Die Fächer ähneln sich nicht sehr stark, da auch die Berufe später völlig andere Anforderungen stellen.“

 

5. Was würden Sie jedem mit auf den Weg geben, der sich für den Beruf interessiert?

„Wer Interesse hat, sollte sich für das Studium entscheiden. Trotz dem Erstarken von Versandapotheken und Internethandel, ist der Beruf der Apothekerin / des Apothekers noch immer ein krisensicherer Job und wird es voraussichtlich bleiben. Kranke Menschen wird es immer geben. Außerdem gibt es neben der Arbeit in der öffentlichen Apotheke noch viele weitere Arbeitsfelder für Apotheker*innen. Das Studium ist schwierig, aber es ist auch schön. Solange man dabeibleibt, schafft man das Studium auch. Am besten vergisst man die Horrorgeschichten aus dem Internet schnell wieder“

 

Zusatzfrage: Wie hat sich Ihr Beruf durch die Corona-Pandemie verändert?

„Der Job ist definitiv krisensicher, die Arbeit läuft weiter, wie zuvor, allerdings haben Apotheken weitere Aufgaben in der Pandemie übernommen. Zu Beginn der Pandemie fehlte überall das Desinfektionsmittel. Gemeinsam mit lokalen Spirituosenherstellern wurde Desinfektionsmittel hergestellt und die Umgebung versorgt, außerdem erfolgt u.a. auch über Apotheken die Versorgung der Bevölkerung mit FFP2- Masken und chirurgischen Mundnasenschützen. Gerade neu kommt die Schnelltestung auf das Coronavirus in Apotheken hinzu. Apotheken übernehmen so eine wichtige Rolle in der Teststrategie von Bund und Ländern.

Ein interessanter Fakt: Die Nachfrage nach Magen-Darm-Mitteln, Läuseshampoo, Erkältungsmitteln und ähnlichem hat deutlich abgenommen – die entsprechenden ansteckenden Erkrankungen sind durch Abstandsregeln und Maskenpflicht deutlich zurückgegangen; Medikamente gegen Lippenherpes, Pflegecremes oder ähnliches sind deutlich mehr gefragt – vermutlich aufgrund der Masken.“

 

Wollen Sie sonst noch etwas loswerden?

„Apotheker*innen arbeiten nicht nur in der öffentlichen Apotheke. Weitere Berufsfelder umfassen:

  • Arbeit in einer Krankenhausapotheke und Versorgung von Kliniken mit Medikamenten
  • Arbeit als Stationsapotheker*in in einem Krankenhaus, hier unterstützt man Ärzt*innen bei der Auswahl der idealen patientenorientierten Therapie
  • Arbeit in der Pharmazeutischen Industrie in der Arzneimittelentwicklung, Arzneimittelherstellung, Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung und der Zulassung
  • Arbeit an forschenden Instituten oder der Universität in der Arzneimittel- und Grundlagenforschung
  • Arbeit bei Behörden, den Krankenkassen o.ä.
  • Neu: Arbeit in den Impfzentren während der Corona-Pandemie
  • Arbeit als Lehrkraft an einer PTA-Schule
  • Arbeit in einer Bundeswehrapotheke

Der Beruf der Apothekerin / des Apothekers ist also sehr vielfältig. Teilweise sind Zusatzqualifikationen gewünscht (Promotion, didaktische Ausbildung, Fremdsprachen o.ä.). Alle Apotheken übernehmen 24 Stunden am Tag die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten. Dazu hat immer eine Apotheke in einem bestimmten Umkreis Notdienst und übernimmt so die Versorgung in der Nacht und am Wochenende.“

 

Zukunftsaussichten:

„In den nächsten Jahren wird sich vermutlich das Aufgabengebiet der Apotheken erweitern. Schon jetzt führen Apotheker*innen Medikationsanalysen durch und übernehmen gerade bei Patient*innen mit Polymedikation (d.h. viele verschiedene Medikamente auf einmal, oftmals von verschiedenen Fachärzt*innen) eine wichtige Kontrollfunktion. Dadurch können Wechselwirkungen vermieden und der Patientin / dem Patienten Nebenwirkungen erspart werden. Dieser Arbeitsbereich wird sich in den kommenden Jahren sowohl in der öffentlichen Apotheke, als auch in Krankenhausapotheken deutlich verstärken. Auch das Gebiet der patientenindividuellen Therapie wird sich in Zusammenarbeit mit den Apotheken erweitern. Aktuell steht u.a. auch eine Grippeimpfung durch extra geschulte Apotheker*innen in den Apotheken zur Debatte, wie es in vielen anderen europäischen Ländern und auch weltweit schon standardmäßig praktiziert wird.“

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