Auf welche Berufstätigkeit kann eine Gesellschaft vorübergehend verzichten, auf welche nicht? Diese Frage hat sich Anfang des Jahres gestellt, als die Ausgangsbeschränkungen zum Eindämmen der Corona-Pandemie beschlossen wurden. Dazu kamen Bilder von erschöpftem Krankenhauspersonal und aus leergekauften Supermärkten. All das hat sich darauf ausgewirkt, wie wir als Gesellschaft Berufe sehen. „mach was!“ schaut, welche Bereiche im Ansehen gestiegen sind.
Wissenschaftler*innen
Eine Talkshow-Runde, eine Nachrichtensendung ohne die Stimme mindestens eines Vertreters der Wissenschaft - das war über viele Wochen undenkbar, nachdem eine neue Form der Coronaviren Deutschland erreicht hatte. Zunächst waren Virologen und Epidemiologen gefragt, als es darum ging, wie wir uns vor dem Virus schützen können. Dann äußerten Psychologogen, Pädagogen und Wirtschaftswissenschaftler ihre Sorgen darüber, wie sich die Schutzmaßnahmen auswirken.
Die größte Bekanntheit erlangte Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité. Für seine öffentlichen Äußerungen zur Pandemie erhielt er mehrere Preise. Unter anderem wurde er für seinen NDR-Podcast mit zwei Grimme-Preisen ausgezeichnet: einem Jurypreis in der Kategorie Information und einem Publikumspreis. Auch insgesamt sind Wissenschaft und Forschung im Ansehen der Deutschen gestiegen. Laut dem Wissenschaftsbarometer der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ vertrauten im Mai 66 Prozent der Befragten der Forschung und der Wissenschaft, im April sogar 73 Prozent. 2019 waren es 46 Prozent, 2018 54 Prozent, ein Jahr davor 50 Prozent.
Frühe Bildung
Das Ansteckungsrisiko sollte gesenkt werden. Eine Maßnahme dafür: Die Kitas wurden geschlossen. Plötzlich standen berufstätige Eltern vor einem Problem: Wer kümmert sich um unsere Kinder, während wir arbeiten? Viele Kinder waren traurig, dass sie ihre Erzieher und Kitafreunde nicht sehen konnten. Durch die öffentliche Diskussion darüber wurde vielen Leuten erst klar, wie wichtig frühkindliche Bildung für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist. „Gerade die Beschäftigten in den Sektoren Soziales, Gesundheit und Bildung erfüllen in der CoronaKrise [...] eine enorm wichtige Rolle. Ihre Branchen leisten auch einen erheblichen Beitrag zur Stabilität und Krisenfestigkeit unserer Volkswirtschaft“, so Dr. Oliver Ehrentraut, Chefvolkswirt und Direktor des Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos AG.
Das sehen offensichtlich auch viele Jugendliche so. In einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums unter 14- bis 20-Jährigen gaben 24 Prozent, also fast ein Viertel, an: Ich kann mir vorstellen, in der frühen Bildung zu arbeiten. Frühe Bildung umfasst die pädagogische Arbeit mit Kindern von der Geburt bis ins Vorschulalter. 75 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Arbeit in diesem Bereich anspruchsvoll ist, 72 Prozent halten sie für abwechslungsreich. Für die Arbeit in der frühen Bildung musst du eine Ausbildung zum Sozialassistenten oder zum Erzieher absolvieren oder ein Sozialpädagogikstudium abschließen.
Pflege
Müde Gesichter, Abdrücke vom langen Tragen der Schutzausrüstung, mitfühlende Gesichter, weil Patienten keinen Besuch empfangen durften. Noch nie wurde in Deutschland so stark wahrgenommen, wie anstrengend Pflegeberufe sind – und mit wie viel Verantwortung verbunden. Von April bis Juni 2020 hat das Bundesfamilienministerium - ebenfalls unter 14- bis 20-Jährigen - auch eine Studie zur Beliebtheit von Pflegeberufen durchgeführt. Das Ergebnis: 21 Prozent können sich vorstellen, in der Pflege zu arbeiten. „Die CoronaKrise hat die Bedeutung der Pflege für die Gesundheitsversorgung unmittelbar bewusst gemacht. Die Bedeutsamkeit von Pflege für den Gesundheitsstatus der Bevölkerung ist aber nicht nur in Krisenzeiten, sondern grundsätzlich eminent“, sagt Professorin Renate Stemmer, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V.
Berufe in der Pflege sind Pflegefachkraft und Krankenpflegehelfer. In der Umfrage gaben 61 Prozent der Befragten an, dass die Arbeit in der Pflege abwechslungsreich ist, 76 Prozent finden sie anspruchsvoll.
Polizei
Sie fuhren Streife durch die Ortschaften, um zu kontrollieren, ob Abstandsregeln und Ausgangsbeschränkungen eingehalten wurden. Sie sorgten für Sicherheit und die Einhaltung von Hygieneregeln bei Demonstrationen gegen Covid-Schutzmaßnahmen und beendeten illegale Partys. Mitten in diesem Trubel wird darüber diskutiert, ob die Polizei ein Problem mit strukturellem Rassismus hat. Haben die letzten Monate dem Ruf der Polizei geschadet?
Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag der Fernsehsendung Report München zeigt: nein. 20 Prozent der Deutschen haben sehr großes Vertrauen, 62 Prozent großes. Wenig Vertrauen haben 15 Prozent, gar keins zwei Prozent. In dieser Studie schneidet die Polizei somit ein wenig besser ab als bei einer Infratest-Dimap-Umfrage von Ende 2018.
Medizin
Für Ärztinnen und Ärzte ist die Erkrankung Covid-19 genauso neu wie für den Rest der Bevölkerung. Auch sie warten noch darauf, dass die Wissenschaft ein Medikament oder eine Impfung findet. Solange es beides nicht gibt, können Ärzte nur Symptome behandeln.
Trotzdem steigt das Vertrauen der Deutschen in die Vertreter dieses Berufs. Es war bereits in den vergangenen Jahren beständig hoch - nachdem Covid auch in Deutschland ausgebrochen ist, hat es noch einmal einen Sprung gemacht: Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat im Auftrag von RTL und NTV 2019/20 mehrfach Probanden gefragt, ob sie großes Vertrauen zu Ärztinnen und Ärzten haben. Zum Jahreswechsel stimmten noch 80 Prozent zu, im Mai waren es sechs Prozentpunkte mehr.
Politik
„Die Politik hat zu spät mit Beschränkungen auf die Pandemie reagiert“, sagen die einen. „Wir wollen keine Schutzmaßnahmen“, sagen die anderen. Unternehmen stehen vor finanziellen Problemen oder kurz vor der Pleite, weil durch die Beschränkungen Einnahmen weggebrochen sind. Angestellte verdienen weniger, weil sie in Kurzarbeit geschickt wurden. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist immer wieder der Eindruck entstanden, dass die Politik es niemandem recht machen kann, alle unzufrieden mit den Entscheidern sind.
Umfrageergebnisse hingegen sprechen eine andere Sprache: Die meisten Befragten geben an, mit dem Krisenmanagement der Regierung der Bundesländer eher zufrieden als unzufrieden zu sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat laut ZDF Politbarometer deutlich an Beliebtheit gewonnen. Zwar war sie bereits im Januar auf Platz 1 unter den in der Umfrage genannten Politiker. Die Note, die sie erhalten hat, war aber im Juli eine deutlich bessere als im Januar.