Trettmann

"Was mich zu Tretti macht: Ich tu das, was mich happy macht"

Trettmann, bürgerlicher Name Stefan Richter, veröffentlichte im September 2019 sein zweites Album. Fürs „mach was!“-Interview über seine Arbeit an Songs und seinen Weg ins Musikbusiness erwischen wir ihn telefonisch. Nach kurzer Klärung, ob wir uns duzen und wie er denn angesprochen werden will, geht’s auch gleich los…

 

Tretti, am 13. September erschien dein neues Album. Wie lang hast du daran gearbeitet?

Das lässt sich nicht wirklich genau sagen. Mein letztes Album „#DIY“ kam vor zwei Jahren. Die ersten neuen Songs sind unmittelbar nach Fertigstellung von „#DIY“ entstanden, weil ich eigentlich durchgängig schreibe, wofür auch immer. Seit einem Jahr arbeiten wir daran, dass ein neues Album entsteht. Seitdem schickt mir KitschKrieg Intrumentals, ich suche mir welche aus, versuche mich drauf. Und dann gab es dieses Jahr noch ein paar Writing Sessions.

 

Wie dürfen wir uns eine Writing Session vorstellen? Ziehst du dich da in eine Hütte auf einer Insel oder in den Bergen zurück?

Das hab ich tatsächlich schon probiert, aber es hat sich nie bewährt. Ich brauche zum Schreiben meine Umgebung in Leipzig oder in Berlin im Studio, um so eine Sphäre zu haben, die sagt: Jetzt schreib ich Musik. Und aber um auch rausgehen zu können und Input zu haben. Von daher heißt Writing Session eher, dass ich mich mehrmals im Jahr eine oder zwei Wochen ausschließlich um das Song-Writing kümmere und auch in der Zeit nichts andere mache – also keine Auftritte, keine Interviews, keine Termine, die mich ablenken könnten.

 

Was war dir für das neue Album wichtig?

Mein Hauptanliegen ist es letztendlich, gute Songs zu machen. Deshalb schränke ich mich da nicht von vornherein ein und gebe mir auch keine Vorgabe, was thematisch rumkommen muss. Ich lasse eher meinen Emotionen freien Lauf. Es gibt beispielsweise ein Instrumental von KitschKrieg und wenn es mir gefällt, ist meist die erste Idee maßgeblich für die Entstehung des Songs.

 

Geht es immer von der Musik aus?

Nicht unbedingt.  Es gibt da keine geregelte Vorgehensweise. Manchmal habe ich auch eine Idee im Kopf und suche das passende Instrumental, worauf der Text entsteht. Oder ich schreibe ganz ohne Musik im Hinterkopf einen Text und lasse dann Musik dafür produzieren.

 

Das emotionale Vorgehen aus dem Moment heraus – erklärt das auch die große thematische Bandbreite des neuen Albums? Es gibt sehr persönliche Songs über Trennungsschmerz oder über die Freuden der Vaterschaft, aber auch einen fast schon politischen Song wie „Stolpersteine“.

 Ja, das kann man so sagen. Hinzu kommt natürlich: Ich höre jetzt seit vier Dekaden bewusst Musik und komme musikalisch aus der Richtung RnB und Blues – wenn ich da ein Instrumental bekomme, ist es schwer, daraus einen Partysong zu machen. Auf ein RnB-Instrumental passt eben eher ein Herzschmerz-Song. Und da zehre ich von meiner Vergangenheit: Das sind ja die einschneidendsten Momente im Leben: sich verlieben oder eine Trennung zu erleben. Solche Dinge vergisst man einfach nicht wieder, die machen dich zu dem Menschen, der du bist. Und diese Gefühle kann ich für meine Songs gut reanimieren, das gelingt mir ganz gut.

 

Im Intro des Albums heißt es: „Was mich zu Tretti macht: Ich tu das, was mich happy macht“. Ist das auch so etwas wie ein Lebensmotto für dich?

Ich würde schon sagen, Glück sollte über allem stehen, ganz grundsätzlich. Unsere Zeit, die wir hier verbringen, ist begrenzt. Und es ist einfach schade sich mit Sachen aufzuhalten, die einen einschränken, eingrenzen, traurig machen. Deswegen steht das Streben nach Glück für mich über allem.

 

Wir sind kurz vor Erscheinen des Albums – herrscht da so etwas wie „die Ruhe vor dem Sturm“?

So würde ich das nicht beschreiben. Ich habe ein gutes Team um mich herum. Wir sind über die Jahre und einige Projekte zusammengewachsen, jeder weiß, was er zu tun hat, alle geben Alles , deshalb sind die Arbeit und auch die Verantwortung fürs Gelingen auf viele Schultern verteilt, die das gemeinsam stemmen. Ich persönlich freue mich einfach auf den Erscheinungstag: Man hat die Arbeit vollendet, jetzt beginnt ein neuer Abschnitt: Man stellt seine Songs dem Publikum vor, bringt seine Visionen auf die Bühne. Ich bin neugierig, wie die Leute drauf reagieren, freue mich auf das Feedback – und harre in positiver Grundstimmung der Dinge, die demnächst kommen. Das fühlt sich gut an.

 

Musiker leben oft einen ganz eigenen Rhythmus: Albumaufnahmen, Tour, dann etwas Ruhe – wie geht man mit diesem Wechsel um?

Diesen Wechsel kenne ich eher von früher – Album, Festivals, dann die Phasen, wo es eher low ist und nichts passiert. Früher empfand ich das immer ein bisschen als schwierig. Weil ich merke: Ich fühle mich produktiv oder ich singe gut, wenn es eine gewisse Kontinuität gibt. Wenn da zwischendurch ein halbes Jahr Pause ist, braucht es immer erst wieder eine Anlaufzeit, bis ich mich mit den Bedingungen arrangiert habe. Zum Beispiel in der Festivalsaison: die große Bühne, die Sonne knallt, im Backstage gibt es zu wenig Duschen – da braucht es ein paar Shows, bis ich wieder drinstecke in diesen Routinen.

Aber in den letzten Jahren gab es diesen Wechsel eigentlich kaum mehr, sondern eher kontinuierlich positive Arbeit, unterbrochen von ein paar Urlauben, wo man sich regenerieren kann. Also es gibt die eigenen Touren, die Festival-Season, Preisverleihungen oder andere Veranstaltungen, wo man zwei, drei Songs singt, dies und das. Das ist jetzt eher mein Rhythmus.  

 

Dein Weg in ein Leben als Musiker wirkt zum einen relativ zielstrebig mit dem frühen Beginn im Zentralen Pionier- und FDJ-Ensemble in Karl-Marx-Stadt, andererseits aber auch immer wieder brüchig mit Phasen, wo man sich fragen konnte, geht es weiter, geht es nicht weiter... Wie hast du selbst das empfunden?

Musik war immer da und Musik war immer das Schönste für mich als Beschäftigung, egal ob jetzt Tanz oder HipHop – als Kultur, als DJ oder Malen. Das war einfach das stetige Ding und die schönste Beschäftigung der Welt für mich. Trotz allem wusste ich aber nie: Wie sieht das aus? Als ich 16 war, fiel die Mauer. Da ging es darum, Abitur zu machen, einen Beruf zu lernen oder zu studieren. Wie die Mutter bei mir im Intro des Albums sagt: „Hol die Paper“ – also mach deine Abschlüsse. Ich hab das versucht und auch daran geglaubt. Aber nach Abitur und Zivildienst bin ich das erste Mal so richtig weit gereist, nach Jamaika. Da habe ich einen anderen Kulturkreis kennengelernt und gemerkt, dass Reisen auch eine Form der Bildung ist und mir unheimlich gut tut und meinen Geist und meine Seele öffnet. Und da habe ich dann bis heute nicht studiert und keinen Beruf gelernt.

 

Hast du noch mit irgendetwas angefangen? 

Als ich 1999 nach Leipzig kam, habe ich angefangen zu studieren. Aber da ging es mir eher um die Vorteile, die dieser Status mit sich bringt in Sachen Krankenversicherung und so weiter. Davor lag nach dem Abitur 1992 die Reisezeit, Sturm und Drang. Ich habe viel aufgelegt, aber es ging eigentlich nie wirklich ums Geld. In dieser Zeit habe ich alles Mögliche gemacht, ich war Schuh-Verkäufer,  Schallplatten-Verkäufer, ich habe mal kurz auf dem Bau gearbeitet, ich war Vertreter. Aber wir hatten ja schon das Thema Happiness: Das hat mich nicht glücklich gemacht. Und auch wenn es wirklich lange gedauert hat, bin ich froh, dass ich mich nie hemmungslos diesem Arbeitsleben verschrieben habe. Ich habe viele Freunde, die mit ihrer Arbeit nicht so ganz glücklich sind, aber nicht den Mut oder die Möglichkeiten haben, vielleicht noch einmal neu anzufangen, weil sie die Miete zahlen oder die Familie versorgen müssen. Da bin ich wirklich froh, dass ich dieses Limit nicht hatte und mir Zeit für die Musik genommen habe.

 

Gab es einen Zeitpunkt, wo du gesagt hast: Jetzt konzentriere ich mich ganz auf die Musik und versuche die große Karriere?

Das war eigentlich eher eine zufällige Sache. Ich war Veranstalter, das war nie das große Geld, aber es hat zum Leben genügt und es hat mich glücklich gemacht. Der Griff zum Mikrofon war dann eher eine Spaßgeschichte, die ich begonnen habe. Das hat sich dann innerhalb kürzester Zeit nicht nur zu einem besser bezahlten Job entwickelt, sondern war auch besser als alles, was ich vorher getan hatte. Insofern war die Entscheidung einfach auch vorgegeben. Aber auch da gab es Momente, die nicht von Erfolg gekrönt waren oder wo es einfach keinen Spaß gemacht hat. Da überlegt man natürlich. Aber ich habe nie den zweiten Weg gesehen, den gab es bei mir nicht.  Ich wäre eher arm geblieben, dafür aber glücklich. Den Weg zu mir selbst musste ich finden – und habe mich da auf meine Gefühle verlassen.

 

Was würdest du einem Jugendlichen raten, der sich für einen Beruf entscheiden muss?

Mal unter uns: das ist sehr schwer. Manchmal habe ich den Eindruck, dass man sich entscheiden muss in einem Alter, wo man noch nicht richtig reif dafür ist. Und es scheint einem vielleicht auch so, als ob diese Wahl etwas ganz Endgültiges ist. Man geht damit sicher erst einmal in eine Richtung und muss sich fragen: Macht mich das glücklich oder gibt es einen besseren Weg?
Insofern sage ich eher aus meiner Erfahrung: Reisen bildet. Schau dir die Welt an! Du lebst in einem Land, wo das möglich ist, wir haben da Glück. Wenn du das kannst, mach ein Auslandsjahr, ein Au-Pair oder etwas in diese Richtung. Reisen ist geil!

 

Und bist du mit deiner eigenen beruflichen Entscheidung zufrieden?

Bis heute ist es für mich immer noch verrückt, ein Teil der Musik zu sein, die ich liebe. Dass man die Musik mit mir teilt und ich meine Musik mit Leuten teilen kann, das muss ich mir immer wieder bewusst machen. Und das Leben als Musiker – ich habe nicht wirklich den Vergleich, wie es ist, als Tischler zu arbeiten oder als Fernsehmonteur. Aber man muss natürlich sagen: Wenn man erfolgreich ist irgendwie, dann ist Musiker schon ein geiler Job. Es ist toll, selbst zu dirigieren, was du wann tust – und wie. Wir haben uns diese Unabhängigkeit ja auch erhalten - #DIY war und ist unser Programm. 

Tretti, wir danken für das Gespräch.

 

Trettmann über…

… die Schule zu DDR-Zeiten

Abgesehen vom ideologischen Überbau war es aus meiner Sicht eine gute Bildung. Auf vieles, was ich gelernt habe in Geografie oder Geschichte, kann ich heute noch zurückgreifen. Ich reise durch die Welt und sehe, dass mir das hilft. Nur das Englisch war schlecht: Da waren wir als Schüler wegen unserer Beschäftigung mit HipHop teilweise weiter als unsere Lehrer, die nie in einem englischsprachigen Land waren.

… Jamaika

Das war mein erstes großes Reiseziel nach dem Abitur und ist bis heute prägend für mich. Und seitdem zieht es mich immer wieder dorthin. Früher immer, wenn das Geld dafür gereicht hat. Dann eine Weile nicht mehr, aber letztes Jahr wieder. Ich hab mich sofort wieder in Land und Leute verliebt. Ich bin also gar nicht der große Weltenbummler, sondern eher dem einen Land treu.

… Geld

Ich habe erst ziemlich spät begriffen, dass in unserem System Geld einen hohen Stellenwert hat. Da musste ich auch erst durch ein paar Täler streichen, um zu begreifen, dass ich mir da auch Sorgen machen muss und ein Standbein brauche.

 

Zur Person:

Trettmann wurde am 9.  Oktober 1973 als Stefan Richter in Obergräfenhain geboren und wuchs in Karl-Marx-Stadt im Plattenbaugebiet „Fritz Heckert“ auf. Als sich Hip-Hop in den 1980er Jahren auch in Deutschland verbreitete, schloss er sich einer Chemnitzer Crew an und wurde zur gleichen Zeit Mitglied im Pionier- und FDJ-Ensemble Karl-Marx-Stadt. Nach dem Abitur 1992 reiste er er nach Jamaika, was ihn musikalisch stark beeinflusste. Anschließend zog es ihn nach Berlin, 2001 dann nach Leipzig, wo er unter anderem als DJ und Party-Veranstalter arbeitete.

2006 erschien seine Debüt-Single „Der Sommer ist für alle da!“ unter dem Künstlernamen Ronny „RT“ Trettmann, Reggae mit sächsischem Dialekt. Erste Festivalauftritte folgten. Seit 2008 betreibt er die Musik ernsthafter, seit 2016 tritt er nur noch als „Trettmann“. Sein 2017 erschienenes Album „#DIY“ erreichte Rang 17 der deutschen Charts, die erste Zusammenarbeit mit den Produzenten KitschKrieg. Im Jahr 2018 blieb er gemeinsam mit anderen Deutschrap-Größen und dem Lied „Standard“ mehrere Wochen auf Platz 1 der deutschen Charts. Sein neues Album „Trettmann“ erschien am 13. September 2019 und stieg direkt auf Platz 2 der deutschen Albumcharts ein. 

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